Die Liebe Kultur
Liebe Claudia Roth,
ich habe mich gefreut, als Du zur neuen Kulturstaatsministerin ernannt wurdest, weil ich in Deiner Person endlich eine Vertreterin im Bereich der sogenannten "Hochkultur" mit genug Erfahrung und Wertschätzung für die freie Szene und den Underground sehe.
Ich schreibe Dir, weil ich mir Sorgen um das Fortbestehen unserer Kulturlandschaft mache und imminente Gefahren aufgrund Abhängigkeiten betroffener Personen nicht frei genannt werden können und bei Versuchen aktiv unterdrückt werden. Als Künstler zwischen klassischen Konzertsälen und Berliner Clubs sehe ich mich in meiner unabhängigen Position zur direkten Kontaktaufnahme gezwungen, damit Du die Situation erörtern und betriebliche Kontrollmechanismen aufbauen kannst, um auffällige Personen Konsequenzen spüren zu lassen. Diese Missstände müssen sehr bald angegangen werden, bevor sie von gewissen politischen Parteien als Ausrede genutzt werden können, um unsere weltweit bedeutende Kultur- und Förderlandschaft abzuschaffen.
Genauer gesagt werde ich an Beispielen aufzeigen, wie rücksichtslose Menschen frei von jeglicher Kontrollinstanz unsere Kulturgelder einsetzen und die Kunst darunter leidet.
Wenn jemand überall einen Scherbenhaufen hinterlässt, auffällig viele seiner Mitarbeiter*innen klinikreif in Burnout kündigen, die Vermutung der Naivität sich als kalkulierter Machtmissbrauch herausstellt, dieser Mensch einen hohen leitenden Posten bekleidet, nur weil ein anderer dieser Ebene ihn vermutlich in der Hauptstadt loswerden wollte, seine unehrliche Art seiner gesamten Generation bekannt ist und alle, die ich fragte, ihm mehrfachen Verrat vorwerfen, wieso wird diese Person nicht davon abgehalten, noch mehr Schaden anzurichten?
Warten wir auf den Selbstmord einer seiner Mitarbeiter*innen? Letztes Jahr wäre es fast so weit gekommen, ich habe es direkt miterlebt. So verlassen viele gute und motivierte Menschen die Kulturlandschaft und wir verbleiben mit leidenschaftslosen Menschen an den öffentlichen Häusern und Institutionen. Als Künstler will ich nicht mit Intendanten zu tun haben müssen, die sich die Kunst auf die Fahne schreiben, aber ihrer Entfaltung im Weg stehen und sie sich lediglich als Schmuck aneignen. Nicht nur die Kunst - auch das Linkssein, Umweltbewusstsein und Humanismus werden von solchen Menschen schamlos missbraucht.
Als "useful idiot" an brauchbarer Stelle wurde er von manchen Musiker*innen und Künstler*innen geduldet, aber wozu braucht unser Bundespräsident persönliche Belustigungen von diesem Menschen und ermöglicht ihm weitere große Bühnen? Sind die Zeiten der Hofnarren nicht allmählich vorbei oder habe ich die Ausschreibung verpasst?
Wenn ein anderer der jüngeren Generation es geschafft hat, in seiner bislang kurzen Karriere außergewöhnlich negativ aufzufallen und trotz Warnungen erfahrener Menschen verantwortungstragende, leitende Positionen einzunehmen, zudem die Gründerin eines Vereins aus ihrem eigenen Werk rauszuschmeißen und dieses tolle Unternehmen als sein eigenes Projekt darzustellen — wieso landet dieser Mensch ohne Konsequenzen weiterhin in leitenden Positionen, finanziert von Geldern der Allgemeinheit? Wo bleibt da die Motivation für ehrliche Kulturmenschen? Wo ist die Personalabteilung auf Bundesebene, die diese Abläufe kontrolliert?
Dass ein gewisser Intendant unerträglich arrogant ist, wird selten in Frage gestellt, aber wenn dieser nicht davor zurückschreckt, in einem vollen Empfangssaal (wo sich der damalige Bundespräsident und der Dirigent aller Dirigenten befanden) einem jungen Musiker in den Hals zu beißen und die Worte "Dass ich kleine Jungs vergewaltige weiß man, aber Dir muss ich es noch beweisen!" ins Ohr zu sagen, welche staatliche Instanz sanktioniert dessen Benehmen? Ist es nicht verständlich, dass wenn jener Künstler wegen unterlassener journalistischen Aufarbeitung trotz mehrfachen Bittens, den Glauben an die Kulturindustrie verliert und sein Schaffen beenden möchte? Ich frage mich, wie benehmen sich solche Menschen in Führungspositionen hinter verschlossenen Türen?
Für diese Schrift habe ich viele Gespräche geführt, aber niemanden um Unterschriften gebeten. Weder die Namen der Betroffenen noch die der erwähnten Persönlichkeiten nenne ich, da es mir nicht um den spezifischen Fall, Anzeigen oder persönliche Beschuldigungen geht. Es geht um eine ernsthafte Sorge, dass unsere Kulturlandschaft durch solche Personen unumkehrbaren Schaden nimmt. Wenn dem breiten Volk bekannt wäre, welche Summen diese Institutionen im Vergleich zu ihren Einnahmen verschlingen, dann wäre das Benehmen der o.g. Personen für manche eine willkommene Ausrede, um diese Gelder einzusparen. Die meisten meiner Gesprächspartner*innen wollen die Kulturlandschaft nicht zerschlagen, befürworten vielmehr eine inhaltliche Neuausrichtung und eine betriebliche (nicht künstlerische) Kontrollinstanz, damit unbeaufsichtigter und konsequenzfreier Machtmissbrauch vermieden werden kann.
Es wird allzu oft versucht, das Machtgefühl und das Ego durch ein extrem umfangreiches Programm zu befriedigen, obwohl das nötige Personal und Finanzen nicht vorhanden sind. Der Intendant stellt sich als Macher dar, auf gesundheitliche Kosten des Personals. In vielen Fällen werden Hilferufe und Warnungen mit drohenden Schuldzuweisungen eingedämmt oder mit verdrehten Fakten abgewiesen.
Für Nachfolger*innen kannst Du Deinen Blick auf diejenigen richten, die eine Ebene unter den besagten Personen tätig sind. Diese Menschen erbringen unglaubliche Leistungen trotz unmöglicher Arbeitsbedingungen und wären in vielen Fällen die sinnvollsten Nachfolger*innen. Zumal die meisten in dieser qualvollen Ebene im Gegensatz zur Leitungsperson weiblich sind, hätten wir auch ohne eine Quote jenes Problem nebenbei gelöst.
Nun wäre es an der Zeit, dass den betroffenen Menschen auf staatlicher Ebene ein geschützter Raum geboten wird, damit sie ihre Erfahrungen und die Lage klar darstellen können, ohne Angst um ihre Zukunft.
Ich glaube daran, dass Du die richtigen Entscheidungen treffen wirst, um eine langfristige Sicherheit der Kultur in Deutschland zu sichern - nicht zugunsten einzelner Personen sondern der Kunst selbst. Ich glaube auch daran, dass Du nicht wie Deine Vorgängerin offene Geheimnisse ignorierst und toxischen Menschen wie Thomas Oberender einen rufwahrenden Abgang ermöglichen wirst. Es ist höchste Zeit, weiteren Schäden vorzubeugen.
Ich bin mir sicher, dass Du richtig vorgehen wirst und stehe Dir gerne für weitere Fragen und zur Kontaktherstellung zu Betroffenen zur Verfügung.
Mit herzlichen Grüßen,
Ein Mensch, der sein Leben der Liebe zur Kunst gewidmet hat
Berlin, den 16.05.2022
*Korrekturen an diesem Text werden als solche kenntlich gemacht.
16.05.2022: Im 8. Absatz wurde der Vergleich zum örtlichen Kontext gelöscht, damit das Geschehen allgemeiner betrachtet werden kann.